Tourtagebuch Tag 20 – Im Kinderheim und der Felsenstadt

Die frühe Morgensonne und das Zwitschern der Vögel weckt uns sanft aus unseren Träumen. Moment mal, Vogelzwitschern!? In der Wüste!? Wohl eher das Aufheulen der Motoren und der trockene Wüstenstaub, der von den ersten davonbrausenen Autos aufgewirbelt wird.

Wir haben’s nicht eilig, zum Frühstuck gibt’s erstmal Wassermelone bevor wir uns durch die Wüste auf den Rückweg machen.
Bei Tageslicht sieht die Umgebung völlig anders als bei Nacht. Wir stellen fest, dass sich die Militärstrasse von uns aus gesehen auf 11 Uhr befindet. Irgendwie waren wir in der vorangegangenen Nacht dermassen vom Kurs abgekommen, dass wir aus 14:00 Uhr auf das Camp zugefahren sind. Soweit so gut, übrigens, auch von Bäumen weit und breit keine Spur 😉

Kurz nach Elf treffen wir in Hashemeyeh beim Children Center ein. So einen Auflauf hat man selten gesehen, hunderte von Menschen, Erwachsene und Kinder, belagern die Rallye-Teilnehmer, zum Empfang wird jedem eine Flasche Wasser gereicht. Die Polizisten versuchen ihr Bestes etwas Ordnung ins Chaos zu bringen und die einfahrenden Autos irgendwie einzuweisen, doch vergeblich.
Noch während wir die Spielsachen aus unseren Autos laden, umringen uns bereits die ersten Kinder und die ersten Playmobil-Sets und Plüschfiguren werden freudig empfangen, Reto ist zwischen all den Kindern kaum mehr zu erkennen. Wir schleppen unsere Kisten in das Hauptgebäude, wo man uns bedeutet, diese in einer Ecke abzustellen. Während sich draussen beim Eingang dutzende Kinder in Reih und Glied anstellen, verteilen die Mitarbeiter des Children Centers die Spielsachen, jeder erhält etwas.

Danach kümmern wir uns um unseren Stein für die Wishwall. Den Stein schleppen wir ja schon länger mit uns herum, ebenso die Plakette. Nur die Zeit, die Plakette anzukleben, die haben wir während der ganzen Rallye nicht gefunden. Und so wird dies nun nachgeholt. Steven MacGyver klebt und kittet was das Zeug hält und kurz darauf finden wir uns vor der Wishwall wieder, wo wir den Stein fachgerecht einmauern.

Auf der Plakette prangt unser Wunsch:

Food, clean water, education
for every child on the planet

Raiders of the Lost Camel
www.camelraiders.com
Allgäu-Orient rallye 2014 – Team 36

 

Eigentlich stünde heute ja noch ein weiterer Check Point mit Zeitabnahme an, doch man merkt auch bei uns im Team, dass die Luft langsam draussen ist.
So beschliessen wir, den Teil am Nachmittag auszulassen und machen uns stattdessen zur Felsenstadt Petra auf. Diese befindet sich eine gute Autostunde westlich.

Als wir dort eintreffen, werden wir von einem Tross Jordanier belagert, die auf unsere Habe ziemlich scharf zu sein scheinen:
„Was kostet die Uhr?“ – „Was Kostet das Auto?“ – „Habt Ihr ein Radio?“ – „Tolle Kamera, wieviel?“
Nun gut, wir wollen ja nicht negativ klingen, aber das nervt irgendwie. Wir winken höflich ab und begeben uns zum Eingang.

Dort gibt’s erstmal etwas Verwirrung ob der Eintrittspreise. 50 Jordanische Dinar (umgerechnet 65 Franken) soll der Eintritt kosten, pro Person versteht sich.
Wir wollen nicht mosern, der Eintritt in den London Tower kostet 20 Pfund, und das ist nur ein Museum und zigmal kleiner als die Felsenstadt. Wir hätten den Preis sogar bezahlt, dann erfahren wir allerdings, dass man als Rallye-Teilnehmer nur 1 JOD pro Person zahlen muss. Als Beweis reicht offenbar der Pass mit dem Israel-Stempel. Das freut uns doch.

Auf dem Weg runter graben uns schon die Nächsten Touristenfänger (sorry für den Ausdruck) an. Schliesslich kann man ja laufen, aber zu Pferd oder Kutsche sei es viel bequemer und schneller. Nicht alle von uns gehen auf dieses Angebot ein, während Steven als Indiana Jones mit Reto und Fran vorausteitet, marschieren Emanuel und Gianpaolo zu Fuss hinterher.
Ein paar hundert Meter weiter ist dann bereits Schluss, die Pferde reiten nicht bis in die Stadt, nur die Kutschen fahren hinein. So wendet man sich dem Zahlungsvorgang zu. Eine erste Hürde stellt hier bereits beim Wechselgeld, den wir haben’s nicht passend, und der Pferdeführer auch nicht. Nach einiger Streiterei gibt Steven entnervt und schimpfend auf.
Fran hingegen ist überzeugt, dass sein Verhandlungsgeschick besser gewesen ist. Auch er hat kein Wechselgeld bekommen, die fehlenden 10 Dinar sollen aber auf dem Rückweg eingelöst werden, der Pferdeführer würde dort auf ihn warten. Wir sind überzeugt, dass dem nicht so sein wird 😉

Zu Fuss folgen wir der engen, rund 1.5 Kilometer lange Felsschlucht („Siq“ genannt). Die Schlucht wurde in früheren Zeiten durch einen Fluss, den Wadi Musa, aus dem Felsen gegraben und erinnert ein wenig an den Antelope Canyon. Im Canyon ist angenehm kühl und so erscheint der kurze Fussmarsch nicht ganz so anstregend. Und dann öffnet sich der Canyon plötzlich und wir stehen vor dem „Khazne al-Firaun“, der beindruckenden, aus dem Fels gehauenen Fassade des Mausoleums, die auch schon in „Indiana Jones und der letzte Kreuzug“ zu sehen war. Neben Venedig und Iskenderun ist dies bereits die dritte Location aus einen Indy-Film, und wir waren tatsächlich da 😉

Nach einer ausgiebigen Foto-Session, wo wir natürlich auch gleich ein passendes Postkarten-Motiv geknipst haben, machen wir uns auf den Weg zurück ans Tote Meer. Eigentlich wollen wir ja noch eine Kleinigkeit essen, aber darauf hat in der prallen Sonne niemand so wirklich Lust.
Als wir schon wieder eine Stunde unterwegs waren, meldet sich die Tankuhr, wir stehen mittlerweile auf Reserve. Da wir aber nicht mehr sonderlich grosse Distanzen zurücklegen werden, beschliessen wir erstmal die Reserve-Kanister einzukippen und nur bei Bedarf zu tanken. Bei der Gelegenheit machen wir auch unsere Mittagspause und verpflegen uns mit Brot, Käse und anderen Leckerein. Dass es bereits früher Abend ist, interessiert da niemanden. Schatten haben wir übrigens auch keinen gefunden …

Wir stellen fest, dass wir noch einiges an Lebensmittel haben, die wir verschenken können: Da hat’s noch eingemachte Saucen, Kaffee, Tee, Brot, Teigwaren, und einiges mehr in unserem Fundus. Irgendwann sehen wir abseits der Strasse, unweit einiger Zelte, eine Frau in der Sonne sitzen. Während Fran und Gianpaolo bei den Autos bleiben, gehen Reto, Steven und Emanuel mit Sack und Pack zu der Frau und übergeben ihr unsere gesamten, unverbrauchten Lebensmittel. Die Frau, die aus Syrien stammt und geflüchtet ist, kann ihr Glück kaum fassen und bedankt sich für unsere Geste.
Währenddessen haben wir bei den Autos bereits die Aufmerksamkeit zweier Arbeiter erregt: Diese sind überglücklich als wir Ihnen unseren Tisch, die Campingstühle, Thermoskannen und andere Kleinigkeiten überlassen. So macht Schenken doch noch Freude 🙂

Weiter geht die Fahrt, bis wir in der Ferne einen Herrn in Uniform sehen, der uns entschieden auf den Pannenstreifen winkt. Die Radarfalle hat zugeschlagen und uns während einem Überholmanöver geblitzt. Der Polizist reagiert etwas unwillig, als wir ihm keine Wagenpapiere vorweisen können. Mit dem dezenten Hinweis darauf, dass wir diese beim Zoll abgeben mussten und das Auto dem König gehört (kein Witz, dem ist wirklich so), verschwindet der Beamte im Fahrzeug und tippt wohl was auf seinem Computer ein. Plötzlich fangen er und sein Kollege an zu grinsen, die Situation wirkt sichtlich entspannter. Mit der Ermahnung, dass 137 km/h doch ein wenig zu viel sei, lässt er uns ziehen. Schwein gehabt. Wir konnten ja nicht ahnen, dass dies heute noch nicht die letzte Begegnung mit der Polizei gewesen sein sollte…

Doch erstmal tut sich ein anderes Problem auf. „Indy“ wird irgendwann langsamer und langsamer, irgendwas scheint da nicht zu stimmen. Pannenblinker raus und rechts ran. Noch während Gianpaolo die Motorhaube öffnet, hechtet Steven aus dem Auto und stürzt nach vorne, Dampf quillt auf. Doch … es ist nichts. Alles nur eine Verarschung. Die beiden haben sich einen Scherz erlaubt anlässlich dem Jubiläum von „Indy“, dieser hat nämlich soeben seinen 200’000sten Kilometer hinter sich gebracht. Ist das etwa kein Grund zum Feiern? 😉

Wir sind kaum 10 Minuten unterwegs, da müssen wir schon wieder rechts ran. Doch dieses Mal nicht unnötig, die Polizei hat „Henry“ rausgeholt. Sie waren wohl etwas irritiert ob dem Funkenregen, der auf die Strasse niederging. Ein Blick unter das Auto offenbart das Malheur: Der Auspuff ist endgültig hin, die Halterung hat sich gelöst und das Teil schleift am Boden. Bis das nicht repariert ist, dürfen wir nicht weiterfahren.
Wir improvisieren also einen Bock aus aufgeschichteten Steinen und fixieren den Auspuf mit Draht und Lochband. Die ganze Aktion kostet uns fast eine Stunde und so ist es fast 20:00 Uhr, als wir endlich wieder auf der Strasse sind.

Doch das Schicksal ist uns nicht wohlgesonnen, schon nach ein paar Kilometern hält uns die Polizei nochmal an, zum dritten Mal heute! Himmel, jetzt reicht’s dann langsam! Diesmal ist Henrys Abblendlicht der Stein des Anstosses, vorne rechts brennt da nämlich gar nix mehr. Der Polizist, der kein Wort Englisch kann, hat kein Gehört und macht auf Stur. Wenigstens scheint’s nur ein Wackelkontakt zu sein, plötzlich geht das Licht wieder und wir dürfen weiterfahren.

Kaum dass wir am Abzweiger zum Toten Meer durch sind, sehen wir bereits die nächste Polizeikontrolle vor uns. Das Zittern beginnt. Es wird nicht besser, als von „Henry“ her ein lautes Aufheulen und Röhren zu vernehmen ist. Zum Glück haben die Beamten bereits einen anderen Zeitgenossen rausgenommen. Sie heben zwar die Köpfe, scheinen aber aktuell andere Sorgen zu haben.
Per Funk gibt Steven durch: „Indy an Henry: Bitte, bitte, bitte, nicht noch extra Gas geben und auffällig fahren mit der Karre wenn wir an der Polizei vorbeikommen. Wir haben keine Lust auf weitere Begegnungen der dritten Art!“

Wir haben mittlerweile etwas Gesellschaft erhalten, die Bummelbären und noch einige andere Rallye-Autos sind auch noch unterwegs, und so passieren wir den Security Check Point anstandlos. Schwein gehabt!

Beim Hotel angekommen, weist man uns an der Anlage vorbei, wir müssen ganz hinten auf einem sandigen Platz parkieren. Wir greifen unsere Taschen und schleppen sie zur Strasse hoch. Dort wartet ein Hotelpage mit seinem Golfbuggy. Auf unsere Frage, ob er unser Gepäck transportieren würde, meint er nur lapidar „In 5 minutes“. Das ist Gianpaolo dann doch zu blöd und so schleppt er seinen Koffer selbst die 500 Meter zum Hoteleingang, das Ding hat ja schliesslich Räder. Die anderen tun es ihm gleich.

Drinnen wartet dann auch schon die nächste Überraschung: Eine Eingangskontrolle wie am Flughaben, mit Förderband, X-Ray und Personenschleuse. Himmel, wo sind wir denn hier gelandet!? Knall! Das war Gianpaolos Koffer, der recht unsanft auf das Laufband befördert wurde. Bei der Kontrolle bleibt Gianpaolos Taschenmessser interessanterweise unbeachtet. Knall! Stevens Koffer landet nicht minder sanft auf dem Laufband. Bei seinem Taschenmesser gibt’s plötzlich einen Aufstand, dieses kommt erstmal in die Verwahrung. Häääää!?
Knall! Nicht Stevens Koffer, dafür sein Kamerarucksack, der recht unsanft die Begebnung mit dem Fussboden macht.

„Who dropped this?“ gellt es durch den Empfang. Ein sichtlich wütender Steven knöpft sich einen sichtlich eingeschüchterten Sicherheitsbeamten vor.

„You dropped my camera!“ – „I did nothing…“

Klar, die Taschen fallen natürlich auch von alleine ab dem Gepäckband. Erst als ein Duty Manager kommt und verspricht, die Sache mit dem Manager zu regeln, geht’s für uns endlich weiter und wir können die Zimmer beziehen. Immerhin hat Jens, der in der Nacht zuvor ja im Hotel zurückgeblieben ist, die Zimmer für uns schon organisiert. Auf den ganzen Checkin-Papierkrieg hätten wir jetzt echt keine Lust mehr gehabt.

Nachdem wir uns erstmal geduscht und wieder in menschliche Wesen zurückverwandelt haben, gibt’s noch ein ausgiebiges Abendessen im libanesischen Restaurant des Hotels. Leider sind wir etwas spät dran, ab 11:00 gibt’s keine Shisha mehr. Stattdessen verweilen wir uns noch mit anderen Rallye-Teilnehmern in der Hotelbar bevor wir spät in der Nacht in die Betten fallen.

Weiche Betten, mit Federkissen und Duvet, eine Klimaanlage und einfach mal …. Pauschaltourismus pur 🙂

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